Die Maßschuhmacherin.
Doris Pfaffenlehner erzeugt in Kernhof – zwischen Lilienfeld und Mariazell gelegen – in einem ehemaligen Bahnhof handgefertigte, individuelle Damen- und Herrenschuhe, die an Originalität kaum zu übertreffen sind.
Nach einer vielschichtigen künstlerischen Ausbildung beschäftigte sich Doris Pfaffenlehner mit der Schuhmacherei. Die einzelnen Arbeitsschritte bei der Anfertigung eines Schuhs haben ihr Interesse geweckt und sie fand schließlich im traditionellen Schuhhandwerk ihre Berufung und Leidenschaft.
Nach ihren Lehrjahren bei Rudolf Scheer & Söhne, dem ehemaligen Hoflieferanten in Wien, verbrachte sie ein halbes Jahr in der Maßschuhmacherei der Giovanna Zanella in Venedig. Neben Anstellungen in der Schuhmacherei der Salzburger Festspiele machte sie 2007 die Prüfung zur Schuhmachermeisterin mit Auszeichnung – und somit war ihr Weg klar.
Bei einer Wanderung kam sie nach St.Aegyd am Neuwalde und verliebte sich in den ehemaligen Bahnhof, den sie später auch kaufte. 2009 eröffnete sie hier ihre kleine, feine Maßschuhmacherei. Seither fertigt sie im ehemaligen Warteraum Schuhe an, die an Originalität und Qualität kaum zu übertreffen sind. Vom eleganten Abendschuh über den streichelweichen, ultraleichten Sneaker bis hin zum robusten Bergschuh – die Möglichkeiten sind beinahe unbegrenzt.
Schon beim Betreten des ehemaligen Bahnhofs ist man von dessen Flair in Kombination mit traditionellem Handwerk – oder besser gesagt Kunstwerk – in seinen Bann gezogen. Werkzeuge, die längst in Vergessenheit geraten sind, und der Geruch des Leders erinnern an längst vergangene Tage.
Passion für traditionelles Handwerk
Gab es früher nahezu in jedem Ort einen Schuster, so sind heute nur noch wenige in ganz Österreich verstreut. Schuhe werden in Massen(ab)fertigung produziert und haben oft ein schnelles Ablaufdatum. Oft lohnt sich eine Reparatur gar nicht.
Das Hirschoberleder wird zugeschnitten
Doris ist sich dennoch treu geblieben und macht das, was ihr Spaß macht und worin ihre Leidenschaft steckt. Bei ihr entstehen Schuhe, die besondere Einzelstücke sind, mit Persönlichkeit und Stil und genau an den Träger angepasst. In der Maßschuhmacherei werden aus feinsten Ledern und besten Materialien von Hand rahmengenähte und zwiegenähte Maßschuhe produziert. Auch alle Oberteile und sonstigen Komponenten, wie Sohlen, Drähte und Lederkappen werden mit Sorgfalt von Hand gemacht.
Rahmennähen – ein dickes Rindslederband wird an den Schuh genäht, es gibt kaum noch Schuhmacher, die diese Technik praktizieren
Jede Kundschaft bekommt ihr eigenes Paar Maßleisten. Den Schnitt für das Oberteil, das Leder und auch die Sohle und die Absatzform sucht man sich ganz individuell aus.
»Das Leben ist gut, die Kunst ist schön, Schuh,
Ferdinand Scholz
nur du kannst in beidem bestehen.«
Drei Besuche sind in ihrer Werkstatt notwendig, einmal zum Maßnehmen und zum Besprechen des Modells, dann zur Anprobe eines Probeschuhs und beim letzten Mal werden die Schuhe abgeholt. Die Wartezeiten sind variabel und man muss schon mit vier bis sechs Monaten rechnen, wobei sich das Warten allemal lohnt, bekommt man doch ein speziell angepasstes Paar Schuhe in bester Qualität.
Dirndl-Leder
Seit einiger Zeit beschäftigt sich Doris Pfaffenlehner auch mit anderen Möglichkeiten der Gerberei. Anfangs mit den Gerbstoffen der Mostbirne und aktuell aus denen der Dirndlkerne. Die Idee des Dirndl-Leders wächst Schritt für Schritt und spricht für Nachhaltigkeit und Innovation. Mehr möchte Doris dazu noch nicht sagen, aber die Idee spricht für sich und man kann davon ausgehen, in Zukunft noch einiges dazu zu hören 😊
Erstes Dirndlleder – von Doris Pfaffenlehner mit Dirndlkernen selbst gegerbt
Ausgehend von den Maßleisten wird ein Schnittmuster für das Ober- und Futterleder gezeichnet. Nach diesem Muster wird das Leder zugeschnitten, an verschiedensten Stellen verstärkt zusammengesetzt und vernäht. Die Brandsohle ist die Innensohle und das Herzstück des Schuhs. Sie besteht aus dickem, eichenloh-, also pflanzlich gegerbtem Rindsleder. Dieses wird feucht verarbeitet und an die Unterseite des Leistens angeformt. Für einen rahmengenähten Schuh wird sie dann ausrangiert, das bedeutet, es wird an ihrer Unterseite rundum ein schmaler Steg herausgearbeitet, durch den später der Rahmen, das Oberleder und die Brandsohle vernäht werden.
Die Füße tragen uns durchs Leben
Die Redewendung „Wo drückt dich der Schuh“ kommt nicht von ungefähr. Ein Schuh sollte ein treuer Begleiter fürs Leben seines Trägers sein und sich perfekt an die Füße anpassen. Daher ist die Anfertigung von ein Paar Maßleisten wichtig, hierzu werden die Maße der Füße, besondere anatomische Gegebenheiten und der Fußabdruck auf die Holzleisten übertragen.
Über Mangel an Kundschaft kann sich Doris Pfaffenlehner nicht beschweren, und manche kommen von weit her angereist. Und egal, ob die Schuhe repariert werden müssen oder neue in Auftrag gegeben werden: Die Schuhmacherin wird immer gebraucht.
»Werkzeuge, die längst in Vergessenheit geraten sind,
und der Geruch des Leders erinnern an längst vergangene Tage.«
Doris Pfaffenlehner hat den Spagat zwischen einer erfolgreichen Geschäftsfrau und Mutter perfekt gemeistert, denn der alte umgebaute Bahnhof ist sowohl ihre Werkstatt, als auch ihr liebevoll eingerichtetes Zuhause, das sie mit ihrer Familie bewohnt. Durch ihre Selbstständigkeit war es ihr möglich, aus dem gewohnten Hamsterrad auszusteigen und ihren Arbeitstag an das Familienleben anzupassen, auch wenn es nicht immer einfach war und ist. Eine Möglichkeit, die nicht vielen Frauen zur Verfügung steht, da die Arbeitswelt sehr männerdominiert ist und sich Frauen oft entscheiden müssen zwischen Beruf und Familie. Und auch wenn viele Frauen sich für beides entscheiden, ist ihr Leben nicht unbedingt einfacher geworden im Laufe der Zeit. Oftmals werden Beruf und Familie zur Dauerbelastung und die Vereinbarkeit und Umsetzung ist nicht immer adäquat und möglich.
Eines ist auf jeden Fall gewiss, Doris Pfaffenlehner steht mit beiden Beinen fest im Leben. Obwohl sie aufgrund der Nachfrage an maßgefertigten Schuhen Mitarbeiter anstellen könnte, führt sie ihre kleine, feine Maßschuhmacherei alleine weiter, da die Familie für sie einen sehr hohen Stellenwert hat und sie dennoch ihre Leidenschaft ausleben möchte.
