Von Michaela Auer | Lesezeit ca. 3:30 Minuten
NATURERFAHRUNG. Schon von der „Indoor-Krankheit“ oder vom „Natur-Defizit-Syndrom“ bei Kindern gehört? Mangelnde Erfahrungen in freier Natur sorgen oft dafür, dass Kinder psychisch labiler und unausgeglichen sind. Grund genug, einen Trend unter die Lupe zu nehmen, der den Weg nach draußen öffnet: die Waldpädagogik.
Das Konzept der Wald- und Naturkindergärten entstand in den 1950ern in Skandinavien. In Österreich wurde 2000 in Vorarlberg Pionierarbeit geleistet. Derzeit sind österreichweit etwa 35 Waldkindergärten bekannt, Tendenz steigend, dank erhöhtem Natur-Bewusstsein.
Naturpädagogik gibt es in drei Formen: In den klassischen Waldkindergärten sind die Kinder bei jedem Wetter im Wald, wo sie meist einen festen, beheizbaren Unterschlupf haben (z.B. Tipis). Integrierte Waldkindergärten sind Kindergartengruppen, die regelmäßig – mindestens einmal pro Woche übers ganze Jahr hindurch – im Wald sind. Die Waldspielgruppen schließlich stehen außerhalb des Bildungssystems und sind Treffen, die regelmäßig im Wald stattfinden, oft schon für Kinder ab einem Jahr.
»Ziel der Waldpädagogik ist,
die Natur als wichtigen Teil des Lebens zu integrieren, der nicht mehr
wegzudenken ist.«
Frohe Kindergesichter
Waldwichtel, Waldfexen, Wurzelkinder... lebensfrohe Kindergesichter, soweit das Auge reicht! Die Natur, ein gottgegebenes Paradies für entdeckungsfreudige junge Menschen. Unendlich viel gibt es da zu erkunden, draußen bei jedem Wetter, wo der Himmel das Dach ist und weder Regen noch Schnee den fröhlichen Reigen stören, sondern die Freude über die besonderen Witterungsverhältnisse und alles was damit hervorkommt wachsen lässt.
Dort, wo die Kinder jeden Tag im Jahr draußen sind, gibt es Unterschlupfmöglichkeiten. Wenn‘s draußen eisig ist, knackst zum Beispiel im Tipi oder im Bauwagen fröhlich ein Lagerfeuer zum Wärmen oder Äpfelbraten. Die pure Kraft der Natur dürfen Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren in klassischen Waldkindergärten täglich erleben. Für zirka vier Stunden, in denen angenommen wird, dass die Kinder in diesem Alter voll wach und aufmerksam sein können, werden gewisse, mit den Grundstücksbesitzern abgestimmte Flecken an Wald und Wiesen erobert. Das „Basislager“, wo zum Beispiel ein Tipi mit Feuerstelle, die Waldgarderobe, Jausentische, Holz-, Stein- und Erdwerkzeuge bereit stehen, wird zur „Heimat“. Dann die Plätze im Wald, wo sich die jungen Entdecker entfalten können. Erdhügel zum Graben und Bauen, eine Wichtelküche zum Brauen, Bäche zum „Pritscheln“, Seile zum Turnen, natürliche „Klangräume“ zum Hinhorchen, Steine, Höhlen, Bäume zum Klettern, Moosbeete zum Rasten,...
Kinder wachsen beim selbstständigen Tun
Das Urspünglichste sind die Natur und unsere Kinder, unverfälscht. Waldkindergärten geben den Kindern im Wald Zeit und Raum, diese Ursprünglichkeit zu leben, selbstbestimmt. Ganz natürlich mit allen Sinnen und mit ihrem kindlichen Feingefühl sind sie Teil der Natur. Sie bekommen einen riesen Vertrauensvorschuss als Basis mit für draußen, dieser kommt vielfach retour. Die Kinder wachsen beim selbstständigen Tun, egal ob Klettern oder Schätzesammeln, ihr Selbstvertrauen wird immens gestärkt. Für die Eltern sind die Erinnerungen ans eigene Kindsein, wo so viel Zeit draußen verbracht wurde, die Abholstelle zu einem „Mehr“ an Naturverbundenheit.
Dieser Beitrag erschien erstmals im momag