Von Sonja Raab | Lesezeit ca. 6 Minuten
VOM ROHSTOFF BIS ZUM FERTIGEN PRODUKT:
Loden Landl in Hollenstein an der Ybbs verarbeitet seine Erzeugnisse in der hauseigenen Schneiderei zu hochwertigen Kleidungsstücken weiter.
Jeder, der schon einmal auf der B31 im Ybbstal von Opponitz nach Hollenstein gefahren ist, hat sie schon gesehen: Die überdimensionale Lederhose vor der Manufaktur „Loden Landl“. Und wer jemals das Geschäft des Fabrikverkaufs betreten hat, weiß, was für eine überwältigende Menge an Trachtenbekleidung, Jagd und Forstbekleidung, Gesundheitspolstern und Schurwoll-Steppdecken sich darin befinden.
»Spinnen tut öfter jemand,
aber nicht immer kommt dabei ein Faden raus!«
Was man aber üblicherweise nicht so schnell zu sehen bekommt, ist das Universum der Lodenerzeugung im Nebengebäude. Maschinen, teilweise länger als ein Waggon der ehemaligen Ybbstalbahn, befinden sich hier. Gusseiserne, unbezahlbare Ungetüme aus den 1970er Jahren, die nicht mehr hergestellt werden, für die man kaum noch Ersatzteile bekommt und die man selbst reparieren muss, wenn etwas kaputt wird.
Während mich Karl Landl Junior durch die Werkräume führt, werkelt Karl Senior an großen Zahnrädern, Ketten und Maschinenteilen. Ich frage den Sohn, ob er die Maschinen auch reparieren kann und er antwortet mit einem Zwinkern in Richtung Papa: „Ich bin Lehrling!“ Lehrlinge dürfen hier allerdings nicht ausgebildet werden, die alten Maschinen und moderne Sicherheitsstandards kommen sich dabei in die Quere. Eine schier unendliche Reise, vorbei an Webstühlen, Spulen, Walzen, Schärmaschine, Ringspinnmaschine, Walk-Maschine, Schleuder, Trockenmaschine und vielen anderen Maschinen folgt. Sie sind laut und kompliziert, technische Details fliegen mir um die Ohren. Garne laufen von hier nach dort, wickeln sich um Kreuzspulen und Haspeln, es wird geteilt, gedreht, gestreckt, zusammen gezwirnt und umgespult, gewebt, gesponnen. Die Besonderheit an Loden Landl ist, dass ab der Ankunft der heimischen, gewaschenen Schafschurwolle bis hin zur fertigen Kleidung jeder Bearbeitungsschritt im Haus gemacht wird.
»Loden ist ein zeitloses,
nachhaltiges, pflegeleichtes Naturprodukt mit gutem Tragekomfort.«
Karl Senior zeigt mir die Arbeitsschritte und führt vor, wie die Webmaschine funktioniert. Man merkt, dass sein Herzblut drin steckt, stolz zeigt er mir den Webstuhl und seine Greifarme, die Wollfäden von da nach dort führen und das Webschiffchen ersetzen. Sohn Karl arbeitet hier, seit sein Vater in Pension ist, üblicherweise alleine und macht alles, vom Wolfen (verschiedene Wollsorten werden zusammengemischt, um eine Gleichmäßigkeit zu erzielen), übers Krempeln (auf den mit vielen Nadeln versehenen Walzen wird die Wolle zu feinem Vlies und anschließend zu einem „Vorgarn“ geteilt) bis hin zum Weben, Walken, Dekatieren (eine spezielle Dampfbehandlung, um verschiedene Glanz-Effekte zu erzielen) und schließlich zu den fertigen Stoffballen.
Karl Landl Senior ist zwar schon in Pension, hilft aber aus, wenn eine der Maschinen reparaturbedürftig ist. Sein Herzblut steckt in der Lodenerzeugung.
In der Wolle aufgewachsen.
Der heutige Firmenstandort war bis zum Jahr 1882 eine kleine Schmiede. Nach dem Ankauf durch den gelernten Handweber Wilhelm Schnabel wurde der Besitz um eine kleine Landwirtschaft erweitert. Wobei er weiterhin seiner Leidenschaft – dem Weben – nachgegangen ist. Gewoben wurde auf einem kleinen Handwebstuhl das sogenannte „Bauernleinen“. Später setzte sein Sohn Karl die textilverarbeitende Tradition fort und begann in den 1930er Jahren mit der Verarbeitung von Schafschurwolle. Mittels einer Handkrempel, der sogenannten Kartätsche, wurde ein Wollvlies hergestellt, welches sowohl von den Wolllieferanten, als auch von seinen Mitarbeitern auf Handspinnrädern zu einem Wollgarn gesponnen wurde. Dieses Wollgarn wurde dann teilweise auf dem Handwebstuhl verwoben und anschließend händisch gewalkt.
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Infobox:
Loden Landl3343 Hollenstein an der Ybbs
📞 07445 3330
📧 office@lodenlandl.at
Führungen durch den Betrieb:
Von Mai bis Oktober nach Voranmeldung.
Zwischendurch beschäftigte man sich auch mit dem Weben von Fleckerlteppichen. Durch ein schweres Hochwasser im Jahr 1949 erlitt der Besitz samt Betrieb sehr große Schäden und wurde fast komplett zerstört. Kurz darauf erlag der Besitzer einer schweren Krankheit, weshalb der ganze Besitz an die heutige Familie Landl überging. Hier begann die Geschichte der Firma Loden-Landl. Bald nahm das Ehepaar Karl und Anna Landl mit großem Fleiß und Ehrgeiz den Wiederaufbau des Betriebs auf, wobei im Laufe der Zeit viel renoviert und zugebaut wurde. Eine große Errungenschaft war die Anschaffung von Maschinen, die eine Reihe von Produktionsschritten vereinfacht und eine sukzessive Erweiterung der Produktpalette ermöglicht haben. Die Landwirtschaft wurde aufgelassen, die Wiesengrundstücke verkauft und der Erlös wurde für den Aufbau des heutigen Geschäftshauses sowie der Schneiderei verwendet.
»Früher gingen die Weber auf die Stör
und haben auf Bauernhöfen den vorbereiteten Flachs
zu grobem Bauernleinen gewoben.«
Erfinder der Eisenstraßen-Tracht
Karls Schwester Iris tritt als Schneidermeisterin in die Fußstapfen ihres Onkels Herbert Landl, der vor wenigen Jahren das Muster der Eisenstraßen-Tracht kreiert hat und mit dem Titel „Schwarzer Graf“ ausgezeichnet wurde. Sie verwirklicht ihre eigenen Kreationen und wurde gerade in einem Wettbewerb der WKÖ zur „Kleidermacherin der Woche“ gekürt. In der hauseigenen Schneiderei nimmt sie auch Änderungsarbeiten vor, am liebsten entwirft sie aber Schnittmuster. Mama Manuela Landl ist zwar schon in Pension, scheint aber der gute Geist des Hauses zu sein, sie kennt die Geschichte des Betriebes, war jahrelang im Verkauf tätig und unterhielt die Kunden, wie sie mit einem Schmunzeln verrät.
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Zur Person:

Familie Landl (von links nach rechts):
Iris Landl, Manuela Landl, Maya Landl, Karl Landl jun. jun., Viktoria Landl, Karl Landl sen., Karl Landl jun., Herbert Landl.
©Andreas Gruber
Karl Landl wurde 1978 geboren, besuchte die Weberei-Fachschule in Haslach (Oberösterreich) und hat danach die Textil-HTL in Dornbirn abgeschlossen. Bei Lindauer Dornier in Deutschland war er als Servicetechniker 14 Jahre lang für die technische Betreuung und Montage von Webmaschinen zuständig und später als Fachmann im Produktmanagement tätig. 2013 kehrte er zurück nach Hollenstein, 2019 hat er schließlich die Manufaktur Loden Landl übernommen.