Von Ylva Hintersteiner | Lesezeit ca. 8:30 Minuten
IN DER LANDWIRTSCHAFT,
wo viel Energie gebraucht wird, gibt es spannende Ansätze und Projekte. Insbesondere der Einsatz von Photovoltaik scheint im Mostviertel gut Anklang zu finden.
Woher kommt unser Strom? Wie wird er produziert? Wofür setzen wir die Energie ein? Gibt es Möglichkeiten, die benötigte Energie teilweise oder ganz selbst zu erzeugen?
Viele Fragen rund um die Energieerzeugung beschäftigen tagtäglich viele Menschen. Um einige dieser Fragen gerade im Bereich der Landwirtschaft zu beantworten, hat dein PODKASTL mit drei Menschen über deren Expertise und Erfahrungen gesprochen.
Martin Stöckler ist ein Landwirt aus Haag, der eine Putenmast betreibt und am Hof eine Photovoltaikanlage installiert hat, die inzwischen als zweites Standbein fungiert.
Georg Kölbel betreibt in Opponitz die Firma Elektro Kölbel, welche sich unter anderem auf die Installation von Photovoltaikanlagen spezialisiert hat und die Thematik als einer der ersten Betriebe im Mostviertel aufgegriffen hat.
Der Dritte im Bunde ist Johannes Schmuckenschlager, Präsident der NÖ Landwirtschaftskammer. Ihm ist die Thematik der energieautarken Bauernhöfe ein besonderes Anliegen.
Die drei Gesprächspartner haben ihre Sicht zur Entwicklung im Bereich der Energiegewinnung erläutert. Ziel ist es, auf die Vorteile hinzuweisen, welche die graduale Umstellung auf erneuerbare Energien mit sich bringt. Es wurden aber auch die Herausforderungen, die in der Zukunft zu bewältigen sind, beleuchtet, denn jede neue Entwicklung bringt auch Aufgaben mit sich, die es zu lösen gibt.
Photovoltaik-Bauernhof
Der Bauernhof von Martin Stöckler zeigt, dass der Umstieg auf einen energieautarken Hof oft nicht von heute auf morgen geht. Bereits 2006 installierte damals sein Vater die erste 1,5 kWp starke Photovoltaik-Kleinanlage und baute diese in den folgenden Jahren aus. Der erste große Ausbau folgte 2013 mit einer 80 kWp Anlage. Die neuerliche Erweiterung brauchte einiges an Überlegung, so Martin Stöckler. Mehrere Faktoren spielten eine Rolle für die Entscheidung: Ein neuer Putenmaststall benötigte zusätzliche Strommengen. Des Weiteren garantierte eine Tarifförderung, den nicht selbst verbrauchten Strom zu einem Mindestpreis zu vermarkten. Dies führte schlussendlich zum Ausbau auf die jetzt montierte Anlagengröße von 580 kWp. Verbaut sind die Dächer des Vierkanthofs, des Maschinengebäudes und des Stalls.
Ziel sei es, so Johannes Schmuckenschlager, die guten Böden und Flächen, die der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, zu schützen. Auch Georg Kölbel führt aus, dass das primäre Ziel sei, die bereits vorhandenen Dachflächen zu nutzen. Ideal ist es, wenn die Photovoltaikanlage in mehreren Himmelsrichtungen montiert werden kann, um durch die Bewegung der Sonne trotzdem möglichst viel Energie zu gewinnen. Generell weist der Photovoltaik-Experte Kölbel darauf hin, dass jede Anlage individuell ist.
»Bei unserem Betrieb
hat der Ausbau der Photovoltaikanlage absolut Sinn gemacht.«
Martin Stöckler
Neben der Versorgung von großen Bauernhöfen, wie etwa jenem von Martin Stöckler, gibt es auch noch andere landwirtschaftliche Betriebe, die von erneuerbarer Energie profitieren können. Durch Photovoltaik-Inselanlagen können sich Alm- und Schutzhütten, die sonst keine Stromversorgung besitzen, selbst versorgen. Besonders interessant ist dabei, durch Pumpen höher gelegene Almen mit Wasser versorgen zu können. Ein Beispiel, welches von der Firma Kölbel betreut wird, ist eine Schutzhütte am Hochschwab. Die Energie für die Ganzjahreshütte wird durch eine Photovoltaikanlage gewonnen und der Strom in Batterien und Wasserstoff gespeichert. Sollte in den Wintermonaten die Photovoltaik nicht richtig arbeiten, wird auf die Speicher zurückgegriffen, um die Heizung weiter betreiben zu können.
Mehrere Möglichkeiten der Energiegewinnung
Der Fokus, die Landwirtschaft immer weiter energieautark zu gestalten, liegt also vor allem im Bereich der PHOTOVOLTAIK. Es gibt aber auch andere Energieformen, auf die besonders Johannes Schmuckenschlager hinweist. Ein Bereich ist Raumwärme aus BIOMASSE. In Niederösterreich sind etwa 700 Nahwärmewerke im Einsatz, die von bäuerlichen Betrieben heraus versorgt werden. „Was viele nicht wissen: In Österreich wächst immer noch mehr Wald nach, als wir im Moment nutzen. Durch den Einsatz von Holz als Heizungsmaterial haben wir nicht nur hundertprozentige Sicherheit aus der Region, sondern nutzen auch regionale Produkte“, hebt der Kammerpräsident hervor.
Eine weitere Energiequelle kann BIOGAS sein, bei Betrieben mit Tierhaltung kann hier unter anderem Methan verwertet werden. Der Einsatz von Biogasanlagen ist dennoch mit mehr Aufwand verbunden, also wären hier etwa Gemeinschaftsanlagen oder auch externe Betreiber, die von den Landwirten mit den Rohstoffen versorgt werden, interessant.
Der Schlüssel ist die Speicherung
Eine große Herausforderung ist die zunehmende Instabilität des Energienetzes. Zu Spitzenzeiten wird viel zu viel Strom produziert, welcher im Moment nicht verwertet werden kann und dann gibt es wieder Phasen, wo fast nichts erzeugt wird, aber Bedarf besteht. Photovoltaikanlagen in Österreich liefern den meisten Ertrag zwischen April und Oktober. Der Verbrauch ist aber zwischen Oktober und April am höchsten. Zwischenspeicherung wird also immer wichtiger, wie Georg Kölbel hervorhebt.
Eine Möglichkeit ist, bestehende Kraftwerke als Ausgleichsspeicher zu nutzen. Das Wasserkraftwerk Kaprun wird derzeit in dieser Hinsicht ausgebaut. Mit überschüssigem Strom wird Wasser raufgepumpt und wenn wieder mehr Strom benötigt wird, wird dieser durch dieses Wasser erzeugt.
»Die Landwirtschaftskammer schaut darauf, dass Anbauflächen sehr restriktiv
und nur unter ganz strengen Auflagen genutzt werden.«
Johannes Schmuckenschlager
Im landwirtschaftlichen und privaten Bereich werden Lithium-Ionen-Speicher eingesetzt. Gerade als kurz vor dem Winter 2022 immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass Strom und Gas knapp werden könnten, stieg das Interesse an solchen Speichern. Ideal ist der Einsatz eines Speichers in Kombination mit einer Photovoltaikanlage. Tagsüber wird die Batterie geladen, nachts kann sie entladen.
Auch rund ums Thema Blackout spielen Speicher eine Rolle, so Georg Kölbel. „Bei großen landwirtschaftlichen Betrieben kommt der Speicher bei einem Blackout eher an seine Grenzen. Da sind dann Notstromgeneratoren, die über den Traktor betrieben werden können, gefragt“, erklärt der Elektrotechniker. Größere, private Speicheranlagen bei Landwirten können auch für die Netzbetreiber in Zukunft spannend werden. Durch dezentrale Speicheranlagen, die bei Bedarf vom Netzbetreiber genutzt werden können, stellt sich Johannes Schmuckenschlager eine Möglichkeit vor, ländliche Regionen, die oft ein schwächeres Energienetz besitzen, dennoch ausreichend gut versorgen zu können.
Förderung und Beratung
Inzwischen hat sich der Tarif, welchen der Landwirt Martin Stöckler noch in Anspruch nahm, geändert. Der Nutzen einer Photovoltaikanlage muss natürlich immer neu bedacht und berechnet werden, aber bei hohem Eigenverbrauch ist die Anschaffung durchaus zu überlegen, auch wenn die Strompreise derzeit wieder sinken. „Für uns hat die Entscheidung absolut Sinn gemacht“, so Stöckler. Weiter sagt er aber auch: „Es gehört immer gut durchdacht. Was bei uns funktioniert, funktioniert nicht bei jedem.“
Als Unterstützung gibt es zum einen die allgemeine Förderung, welche über den Tarif der OeMAG, der Abwicklungsstelle für Ökostrom, gehandhabt wird. Von der NÖ Landwirtschaftskammer werden außerdem Beratungsgespräche für interessierte landwirtschaftliche Betriebe angeboten. Diese sind für die Förderung „Energieautarke Bauernhöfe“ sogar verpflichtend.

Die NÖ Landwirtschaftskammer unterstützt die Thematik der energieautarken Bauernhöfe enorm.
»Das Bewusstsein hat sich im
letzten Jahr durch den Preisanstieg massiv geändert. Immer mehr beschäftigen sich mit der Thematik.«
Georg Kölbel
Die Thematik der energieautarken Zukunft ist umfassend und komplex, aber gerade im Bereich der Landwirtschaft gibt es schon jetzt viele erfolgversprechende Beispiele, wie so eine Zukunft ausschauen kann. In den Gesprächen ist deutlich zu erkennen, dass die Thematik an Wichtigkeit gewinnt und immer mehr Menschen erreicht. Es bleibt spannend zu sehen, was in den nächsten Jahren rund um die energieautarke Zukunft auf uns zukommt.
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Links:
Förderung „Energieautarke Bauernhöfe“:
Photovoltaik: