Corona im Rückspiegel

Von Stephanie Ebner-Hopf | Lesezeit ca. 5:45 Minuten

DATENBASIERTES KRISEN-MANAGEMENT.

Impulsreferat und Dialog mit dem Grazer Public Health-Experten Dr. Martin Sprenger.

Wer sich in den letzten Jahren intensiv mit Eigenrecherche schlau machen wollte, sich fortbilden und in die Themenfelder der Pandemie einlesen wollte oder einfach ehrliches Interesse für unterschiedliche Erkenntnisse rund um Covid-19 zeigte, kam und kommt an Dr. Martin Sprenger wohl nicht vorbei. Er teilt regelmäßig Forschungsergebnisse, Statistiken, Papers und wissenschaftliche Artikel in diversen Medien, hauptsächlich aber über Facebook. Dadurch stellt der Arzt und Public Health-Experte unentgeltlich sein Wissen der breiten Masse zur Verfügung. Für den Laien schwierige Artikel fasst er leicht(er) verständlich zusammen oder übersetzt sie aus dem Englischen.

 

Soziale Aspekte beleuchten

Vielen war er auch als Mitglied der Corona Task Force bekannt, die zu Pandemie-Beginn von der Regierung gegründet wurde. Sein Vorschlag, unter anderem die Bundesgärten, Parks und dergleichen offen zu halten und weiterhin Sport an der frischen Luft ausüben zu dürfen, stieß großteils auf Unverständnis, woraufhin er diese Task Force verließ. Trotzdem wird Martin Sprenger seit über zwei Jahren nicht müde, für ein wissenschaftliches und datenbasiertes Krisen-Management zu plädieren und setzt sich stark für Kinder und Jugendliche ein, sind diese doch die am geringsten gefährdete, aber am höchsten belastete Zielgruppe der Maßnahmen.

 

Covid-19 Corona Pandemie Erkenntnisse, Auswirkungen, Vorträge
© colourbox.com

»Hinterher sind alle klüger.

Aber der Weg vom Irrtum bis zur Erkenntnis

ist entscheidend.«

Über Reformen zum Alten- und Pflegebereich referiert er ebenfalls seit vielen Jahren auf Fachkongressen. Auch diese Menschen zu vertreten, ist ihm ein Anliegen. Seit einigen Wochen tourt der Wissenschaftler durch Teile Österreichs für Impulsreferate zur sozialen Dimension der Pandemie. Die Bedeutung von sozialem Zusammenhalt, die Auswirkung auf Kinder und Jugendliche und viele weitere Aspekte dieses gesamtgesellschaftlichen Ereignisses werden ebenfalls thematisiert. Anschließend steht Sprenger immer für Diskussionen und Fragen des Publikums bereit. Diese dauern meist länger als das Impulsreferat zuvor.

»Kinder und Jugendliche sind die am geringsten gefährdete,
aber am höchsten belastete Zielgruppe der Maßnahmen.«

Rote Linien

Ende Juli fand ein solcher Vortragsabend in Altmünster am schönen Traunsee statt, an dem ich teilnahm. Ein wichtiges Detail: Martin Sprenger hat noch nie auch nur einen Cent erhalten für seine Expertisen, weder von TV- und Radiosendern noch von Zeitungen und anderen Medien. Er bekommt kein Geld von Pharma-Unternehmen, Vertretern oder Herstellern.

 

In seinem Vortrag sprach er auch über rote Grenzen, die überschritten wurden. Ein Beispiel ist, dass man Menschen nie alleine sterben lassen darf. Auch nicht während einer Covid-Pandemie. Es gäbe aus seiner Sicht viele solcher roten Linien. Er übt Kritik am Blindflug der Regierung und Verantwortlichen, vor allem in Bezug auf eine fehlende Datenlage, die in Österreich nicht oder nur kaum zur Verfügung steht oder mangelhaft erfasst und dargestellt wird. Daher verweist er sehr oft bei seinen Recherchen auf skandinavische Länder, England oder die Schweiz.

 

Es empfiehlt sich, die beiden Bücher des Universitäts-Lehrgangsleiters für Public Health der Med-Uni Graz zu lesen. Das erste Buch erschien inmitten der Pandemie und trägt den Titel „Das Corona-Rätsel – Tagebuch einer Pandemie“. Im Mai 2022 erschien Teil Zwei: „Corona – Des Rätsels Lösung? Faktencheck einer Pandemie“. Auch hier verknüpft Sprenger politische Entscheidungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen zu einem Gesamtbild. So ist dieses Buch nicht nur eine Aufarbeitung der Pandemie, sondern auch eine Dokumentation des aktuellen Wissensstands.

Zur Person

Dr. Martin Sprenger ist 1963 in Chur (Schweiz) geboren und in der Schweiz und in Tirol aufgewachsen. Der Allgemeinmediziner maturierte 1982 an der HTL für Tiefbau in Saalfelden (Salzburg) und promovierte nach 10 Jahren Tätigkeit im Bereich Architektur und Statik im Jahr 1992 an der Medizinischen Universität Graz. Nach seiner Turnusausbildung in der Steiermark war er Assistenz- und Notarzt am LKH Weiz und machte im Anschluss 2001 bis 2002 seine Ausbildung zum Master of Public Health in Neuseeland. Seit 2002 ist er wissenschaftlicher Koordinator und seit 2010 Leiter des Universitätslehrgangs Public Health der Med-Uni Graz, nebst Lehrtätigkeit in diversen Fachhochschul- und Universitätslehrgängen und der Mitarbeit in verschiedenen Gesundheitsprojekten.


Public Health.co.at

Die Berge als Ausgleich

Ab Herbst wird Martin Sprenger wieder zahlreiche österreichische Ortschaften bereisen, um weitere Impulse zu geben und Dialoge anzuregen, aber vor allem, um sich im Rahmen seiner Möglichkeiten mit den Menschen zu unterhalten, ihnen ein offenes Ohr zu schenken, sie bei ihrer Suche nach Wissen zu begleiten und um ihre Ängste und Sorgen zu besprechen.

 

Auf seinen Vortragsreisen schläft Sprenger meist in seinem Bus, irgendwo im Nirgendwo – doch hoffentlich in der Nähe von Bergen, die ihm als leidenschaftlicher Bergsteiger einen Ausgleich und seine Erdung bringen, wie er schildert.

 

Allen, deren Interesse geweckt wurde und für die es „kein richtiges Richtig und kein falsches Falsch“ gibt, sind gut beraten, seine regelmäßig erscheinenden Beiträge zu lesen. Die im Archiv, die aktuellen und die zukünftigen. Auch wenn die Hoffnung bleibt, dass es bald keinen Anlass dazu mehr geben wird. Er wird nämlich seine „Public Health Graz“ Facebook-Seite löschen, sobald die Pandemie für beendet erklärt ist.

Der Public Health-Experte bietet im Herbst weitere kostenlose Referate an. Die Termine findet man auf der Facebook-Seite "Public Health Graz"
© Gabi Hörander
Stefanie Ebner-Hopf traf Dr. Martin Sprenger bei seinem Impulsreferat
© Gabi Hörander

Termine über Referate des Public Health-Experten

Dr. Martin Sprenger findet man auf der

Facebookbook-Seite "Public Health Graz".



Dieser Beitrag erschien erstmals im momag