Joe Satriani - Der außerirdische Elefant

Von Petra Ortner | Lesezeit ca. 7:45 Minuten

Er ist einer der GRÖSSTEN ROCK-GITARRISTEN UND KOMPONISTEN DER WELT und wurde bereits 14 Mal für den Grammy nominiert. Er arbeitete mit Deep Purple und gab Superstars wie Steve Vai, Kirk Hammett (Metallica) und Tom Morello (Rage Against The Machine) Gitarrenunterricht. Er unterstützt Non-Profit-Organisationen, die Kindern Musik spielen ermöglichen, hat ein SciFi-Comicbuch veröffentlicht und in einigen Filmen mitgespielt.

 

Picture of Joe Satriani from his official Homepage
© Joe Satriani

 

Du hast dir selbst mit 14 Jahren das Gitarrespielen beigebracht. Warst du einer dieser Teenager, der immer zuhause war, während die anderen ausgingen?

Oh ja, meine Freunde fragten oft, warum ich nie bei Partys dabei bin. Meine Entschuldigung war immer, dass ich alle meine Akkorde durchgehen muss und jeden Tag ein bisschen besser werden will. Oft bin ich erst auf Partys aufgetaucht, wenn die anderen schon völlig betrunken waren (lacht), was dann natürlich langweilig war für mich. Musik liebte ich einfach immer. Ich habe mit neun Jahren begonnen, Schlagzeug zu spielen. Musik ist meine lebenslange Leidenschaft.

 

»Ich war nicht das Kind,

das einfach eine Gitarre

in die Hand nehmen und gleich was Schönes drauflos spielen konnte.«

 

Hattest du jemals einen Plan B?

Niemals. Vielleicht hätte ich einen haben sollen (lacht). Aber manchmal wirft man alles was man hat in diese eine Schale und hofft das Beste. Ich dachte immer: „Ich will diesen Weg gehen, und werde auf diesem Weg alles lernen.“ Ich war nicht annähernd so talentiert wie manche der Kids, die ich unterrichtet habe und musste an manchen Sachen besonders hart arbeiten. Ich war nicht das Kind, das einfach eine Gitarre in die Hand nehmen und gleich was Schönes drauflos spielen konnte. Manchmal schien es, dass ich jeden Tag wieder ein wenig von den Sachen vom Vortag neu lernen musste. Aber ich hatte immer Spaß daran, es fühlt sich nie wie Arbeit an.

 

Wie viele Gitarren besitzt du?

So zwischen 150 und 180 im Moment. Es kommen viele Prototypen rein oder welche, die ich für Ibanez designed habe. Wenn ich eine Gitarre nicht mehr brauche, dann bemale ich sie und spende sie für einen guten Zweck. Also die Anzahl variiert immer wieder.

 

 

Hast du eine Lieblingsgitarre, die du niemals hergeben würdest?

Es gibt da ein paar, die sentimentalen Wert haben. Da gibt es eine alte „Squire“ mit einer netten Widmung von Keith Richards und Mick Jagger. Dann habe ich eine von Steve Vai, auch mit einer kleinen Widmung drauf. Dann vielleicht noch die allerersten Gitarren, mit denen ich einige meiner meist „akzeptieren“ Songs aufgenommen habe. Auch wenn sie ziemlich funkige Instrumente sind, behalte ich sie.

 

Warum heißt das neue Album „The Elephants of Mars“?

Also ich habe einen Song geschrieben, dessen Sound mich an so einen eigenartigen, gigantischen, außerirdischen Elefanten erinnerte. Dazu erfand ich dann ein Science Fiction-Epos, in dem Wissenschaftler den Mars in einen üppig blühenden Planeten verwandeln. Dabei kreierten sie unbewusst auch eine Spezies empfindsamer, überdimensionaler Elefanten, die sowohl untereinander als auch mit anderen Spezies telepathisch kommunizieren können. Und sie spielen mit ihren Rüsseln ganz einzigartige, wunderschöne Musik (lacht). Ich weiß, das hört sich völlig irre an! Dann überlegte ich mir, wie die Elefanten mit den Kolonisten zusammenarbeiten könnten, weil die gierigen, bösen Konzerne der Erde versuchen, all die wundervollen und wertvollen Ressourcen dieses Planeten zu stehlen. Also gibt es eine Revolution und die Bewohner des Mars können schließlich autonom werden und die Schönheit des Planeten erhalten. Mein Schreib-Partner Ned Everett half mir dann beim Rest der Geschichte und meine Band sorgte für die richtige Stimmung der Songs.

 

»Wenn ich eine Gitarre nicht mehr brauche, dann bemale ich sie

und spende sie für einen guten Zweck.«

 

Hast du beim Komponieren schon eine Geschichte im Kopf?

Meistens schon. Im besten Fall entsteht ein Film in meinem Kopf, den ich dann musikalisch umsetze. Ein Song kann dadurch zuerst richtig lang sein. Ich nehme dann alles raus, was er nicht braucht und reduziere ihn so lange, bis ich die Quintessenz habe.

 

Wie sind deine Tage, wenn du an einem Album arbeitest?

Wenn ich nicht mit Interviews beschäftigt bin, wie jetzt gerade (lacht), dann stimme ich in meinem Studio meine Instrumente. Oft habe ich eine Liste von Dingen, die ich erledigen will, zum Beispiel „Keyboard bei diesem Song“ oder „Bass bei jenem“. „Versuche ein anderes Solo bei dem“ und so weiter. Auf einer großen Tafel habe ich alle Aufgaben stehen (lacht). Ich versuche, organisiert zu bleiben. Das ist auch wichtig, weil meine Musiker auf der ganzen Welt verstreut sind, von Los Angeles bis Australien.

 

Joe Satriani live on stage
© George Bebris

Was war bei dem Album die größte Herausforderung?

Es geht eine Menge der Kameradschaft und der Energie ab, die du hast, wenn du mit allen in einem Studio stehst. Ein professionelles Aufnahmestudio ist für Musiker wie ein exotisches Süßwaren-Geschäft. Es ist teuer, aber jeder ist dort immer sehr überdreht und auch sehr kreativ. Es ist spannend, mit Technikern und Produzenten zusammenzuarbeiten, die du dir vielleicht nur alle zwei oder drei Jahre leisten kannst. Du spürst die Begeisterung, die Aufregung. Das habe ich wirklich vermisst. Im Heimstudio ist da sonst niemand (lacht). Da musst du all diese Momente irgendwie für dich selbst kreieren.

 

Woher kommt deine Vorliebe für SciFi?

Mein erstes Buch war eine Sammlung von Geschichten von Ray Bradbury. Dann begann ich sehr bald Isaac Asimov und Kurt Vonnegut zu lesen, auch Philip K. Dick und Dan Simmons. Das sind alles großartige Schreiber und fantastische Denker, vorwärtsdenkend, große Beobachter und Kommentatoren der Gesellschaft. Darum ist für mich Science Fiction eine wundervolle Kunstform.


 

Welche Spieltechnik auf der E-Gitarre ist die schwerste?

Jeder Musiker hat ein oder zwei physische Hürden. Man kann die Finger nicht weiter spreizen oder auch nicht schneller spielen, das ist normal. Das gibt es auch im Sport, beim Tanzen oder in anderen Berufen. Du kannst nur mit dem Arbeiten, was du zur Verfügung hast. Um alles andere muss man dann irgendwie herum-arbeiten. Ich denke oft an Dave Brubeck, der vom Pferd fiel und dabei seine Hände kaputt gemacht hat. Er musste einen eigenen Weg finden, Klavier zu spielen und war so Mitbegründer des „Third Stream Jazz“ – das ist eine ganz einzigartige Weise zu spielen. Er wurde geliebt für diesen Stil. Ich bin froh, wenige physische Einschränkungen zu haben. Für mich ist am schwersten, langsame, emotional aufgeladene Musik zu spielen und dieses Gefühl rüberbringen zu können. Die elektrische Gitarre ist oft zu lärmig und laut, für energiegeladene Musik. Die menschliche Stimme ist das beste Instrument, um Gefühle wie Trauer, Freude und alles dazwischen zu kommunizieren. Mit der Gitarre diese Gefühle gut auszudrücken ist wirklich sehr schwer.

 

Joe Satriani Infos

The Elephants of Mars

Label: earMUSIC / 2022.
17 Alben in 35 Jahren sind eine beeindruckende Leistung. Noch beeindruckender ist allerdings, dass Joe Satriani im Laufe der Zeit seine Qualität immer hochgehalten hat. Mit seiner Band legt er mit diesem Album ein wahres Feuerwerk hin, das gut mit Tempo-reduzierteren Stücken ausbalanciert ist.

Links

JOE SATRIANI HOMEPAGE
JOE SATRIANI YOUTUBE

Live: 8. April 2023, Wiener Stadthalle.

 

Ich hätte da eher an sowas gedacht wie „super schnell spielen“...

(lacht) Nein. Auf YouTube kannst du dir 10-jährige Kids aus aller Welt ansehen, die unglaublich schnell spielen können, schneller als du hören kannst. Da gibt es keine wirkliche Grenze. Junge Musiker sind heute technisch wirklich hervorragend, das ist nichts Ungewöhnliches mehr. Ungewöhnlich ist etwas, das so fesselnd klingt, dass du es immer wieder für den Rest deines Lebens hören möchtest. Das ist die wirkliche Technik, die du üben solltest.

Dieser Beitrag erschien erstmals im momag