Der Tod steht ihr gut

Von Barbara Pletzer | Lesezeit ca. 9:30 Minuten

MENSCHENBILD. Ein strahlendes Lächeln, aufgeweckt, 37 Jahre jung, verheiratet und Mama von zwei Kindern. Beruf? Bestatterin. Und zwar aus Leidenschaft. Wenn der einen oder dem anderen jetzt spontan „typische“  Bilder eines „Totengräbers“ durch den Kopf geistern – düster und bleich – so werden diese hier eines Besseren belehrt.

 

Gut gelaunt geleitet uns Bärbel Schwaiger in ihr Büro im Kellergeschoß des Pfarrhauses: „Hallo, herzlich willkommen! Tut mir leid, ich hab’ noch keine Zeit gehabt, die Holzsärge vom Gang wegzuräumen. Aber man kann da eh leicht vorbeischlüpfen, oder? Kommt rein und macht es euch gemütlich! Kaffee? Kekse?“

 

Bärbel Schwaiger ist Bestatterin. Ein Menschenbild von Barbara Pletzer über die 37-jährige Frau aus Rabenstein an der Pielach
Foto: © Barbara Pletzer

 

Seltsam und geheimnisvoll ist es hier, aber auch recht gemütlich – ungewohnt halt irgendwie. Man sieht Särge, ein paar hübsche Holzengel stehen auf einer Kommode, es gibt ein Regal voll mit verschiedensten Urnen, eine Vase mit frischen Blumen und natürlich auch einen Schreibtisch mit Computer, Drucker, Ordnern und Papierkram – fast wie in einem „normalen“ Büro. Doch was ist eigentlich „normal“? Denn sterben, das muss immerhin jeder Mensch – und somit sollte der Tod ja eigentlich die normalste Sache der Welt sein, oder?

„Wie ist das eigentlich so, als Bestatterin? Ist das nicht... naja... ein bisschen... Dings halt...?“ Tolle Einstiegsfrage, äußerst professionell, das merken wir gleich. Schnell wird uns klar, wie sehr auch für uns das Thema Tod schwierig anzusprechen ist – quasi „nicht ganz normal“ ist. Zum Glück kennt Bärbel solche Reaktionen und beginnt gleich zu erzählen: „Als ich zum ersten Mal bei einer Abholung mitgeholfen habe, war ich auch sehr nervös und aufgeregt.“ Zu diesem Zeitpunkt war sie noch Lehrerin in Kilb.

 

Lehrerin wollte Bärbel schon als kleines Kind werden und den Beruf hat sie immer sehr gerne ausgeübt. Doch dann kam der Tag, der für die junge Frau alles ändern sollte: „Meine Freundin, die Bestatterin in Kilb ist, fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, ihr ab und zu auszuhelfen. Als ich dann schließlich bei der ersten Abholung eines Verstorbenen helfen durfte, war ich sehr aufgeregt und etwas zittrig – ich glaube sogar, dass mir leicht schwindlig war. Doch ich fühlte noch etwas: Ich war geerdet. Ruhig. Angekommen.“ Das ist mittlerweile fast fünf Jahre her. Seitdem hat sie viele Erfahrungen gesammelt, hat gewisse Routinen entwickelt, so wie in jedem Beruf.

»Sterben muss immerhin jeder Mensch –

und somit sollte der Tod ja eigentlich die normalste Sache der Welt sein, oder?«

Seit Anfang 2021 hat sie nun ihr eigenes Bestattungsunternehmen und ist sich nach diesen zwei Jahren sicher, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Und was sagt ihr Umfeld zu dieser Berufswahl? „Stefan, mein Mann, hat mich da schon erst einmal etwas schief angeschaut“, lacht Bärbel. „Immerhin hatte ich ja einen wunderbaren Job als Lehrerin und stand mitten im Berufsleben. Als er dann aber sah, wie zufrieden und glückselig ich immer heimkam, nachdem ich meiner Freundin in Kilb öfter einmal ausgeholfen hatte, war auch er davon überzeugt, dass ich mich beruflich umorientieren sollte. Er hat mich von Anfang an unterstützt und ist sehr stolz auf mich und das, was ich bisher erreicht habe!“ Wenn man der jungen Frau so zuhört, wird schnell klar, dass sie nicht einfach nur Bestatterin ist. Sie macht diesen Beruf aus vollstem Herzen, und allem, was dazugehört. „Mir ist vor allem wichtig, dass die Menschen ihre Scheu vor dem Thema Sterben ablegen. Wie bereits zu Beginn erwähnt: Der Tod gehört zum Leben dazu. Jeder Mensch muss im Laufe seines Lebens damit fertigwerden. Irgendwann gehen die Großeltern, die Eltern, Freunde“, erklärt Bärbel. Ganz wichtig sei es, Trauer zuzulassen. Trauer ist sehr individuell – die einen trauern still, die anderen müssen sie nach draußen tragen, müssen weinen und über sie sprechen. Bei dem einen dauert die Trauerphase kürzer, bei der anderen länger. Wichtig ist, dass man dabei begleitet wird, dass man jemanden hat, dem man sich öffnen kann, der einem beisteht.

 

Vor toten Menschen fürchtet sich

Bärbel Schwaiger nicht, denn die sind uns

gut gesinnt. Sie gruselt sich höchstens vor Spinnen und Schlangen.


 

Ein kleiner, aber wesentlicher Teil ihres Berufs ist die Trauerbegleitung. Wenn ein Mensch stirbt, fühlen sich die Hinterbliebenen im ersten Augenblick oft verloren. Da kommen so viele Gefühle hoch und es gibt gleichzeitig so vieles zu organisieren. „Manchmal gehen Menschen plötzlich von uns, gerade da erleben die Angehörigen oft einen Schock. Ich spreche dann mit ihnen und versuche, sie ein Stück in ihrer Trauer zu begleiten“, sagt Bärbel. Während dieser Schockstarre wird sie oft gefragt, wie dieser Verlust überwunden werden kann. Ihre Antwort ist dann immer: „Man kann diesen Schmerz nicht einfach überwinden. Und Zeit heilt eben nicht alle Wunden. Wenn man verletzt ist, bleiben Narben zurück. Diese sind oft unser ganzes Leben lang sichtbar. Sie sind sensibel, man muss auf sie Acht geben. Und so ist es auch mit unseren seelischen Narben – auch mit ihnen müssen wir behutsam umgehen.“

 

Auch mit ihren beiden Kindern spricht Bärbel offen über das Thema Tod. „Natürlich kindgerecht und dem Alter entsprechend“, ergänzt sie. „Kinder haben ohnehin meist einen ganz natürlichen Zugang zum Thema Tod, den wir Erwachsene oft verloren haben. Da gibt es Engel, die in den Himmel aufsteigen und von einer Wolke auf uns herabblicken. Die uns gut gesinnt sind, die uns beschützen.“ Wenn jemand in der Familie stirbt, ist es übrigens sehr wichtig, dass die Kinder nicht ausgeschlossen werden. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder meist mit einbezogen werden möchten. Auch hier natürlich kindgerecht und liebevoll begleitet. Sie haben da oft sehr viele Fragen und können ihre Trauer besser verarbeiten, wenn man mit ihnen spricht und ihnen alles erklärt“, so die junge Frau.

 

Andere Kulturen

Nicht überall auf der Welt wird dem Thema Tod so zaghaft begegnet. In Mexiko gibt es beispielsweise Totenfeste, wo die Verstorbenen gefeiert werden, wo Familien sich rund um das Grab des Großvaters versammeln, um dort ihm zu Ehren ein Picknick abzuhalten. In New Orleans gibt es Jazz-Bestattungen, bei denen zwar getrauert, aber auch getanzt wird. Bunte, fröhliche Szenen tun sich da auf. Natürlich – jede Kultur hat ihre Rituale, so auch wir. Und die ändern zu wollen, würde freilich nur wenig Sinn machen. Aber man kann dem Tod die Schwere nehmen, ihn vom Schatten ins Licht holen.

 

 

Die Natur und der Tod

Und so hat Bärbel Schwaiger in ihrem Heimatort Rabenstein an der Pielach das Projekt „Ruhewald“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit der Forstverwaltung Limberger und dem Gemeindeteam rund um Bürgermeister Kurt Wittmann wurde ein Stück Wald zu einer Naturbestattungsanlage umgewidmet. „Das ist ein ganz wunderbares Projekt, welches auch von der Bevölkerung sehr gut angenommen wird“, erzählt Bärbel. Das Waldstück am Fuße der Burgruine Rabenstein ist von zahlreichen kleinen Wanderwegen durchzogen. Schon immer wurden diese recht gerne bewandert – nicht zuletzt, weil einige von ihnen direkt zur Ruine hinaufführen. Seit etwas über einem Jahr zieren nun ein paar dezente Nummerierungen und Namensplaketten den Wald.

»Ein Waldstück am Fuße der Burgruine Rabenstein

wurde zu einer Naturbestattungsanlage umgewidmet.«

Jeder der möchte, kann sich hier in einer biologisch abbaubaren Urne bestatten lassen. Sie wird am Fuße eines vorab ausgewählten Baums beigesetzt. Die Nummerierungen an den Bäumen und eine kleine Metallplakette mit dem Namen des Verstorbenen weisen auf die Ruhestätte hin. Bis auf die Beschilderungen deutet im Wald nichts darauf hin, dass es sich hier um eine Naturbestattungsanlage handelt. „Das ist ja gerade das Schöne daran: Jeder der mag, kann diesen Wald besuchen – zur Erholung, für einen Ausflug, oder eben, um den verstorbenen Angehörigen zu gedenken“, erklärt Bärbel.

 

Den Tod als etwas Natürliches, Normales verstehen. Hier schließt sich der Kreis also wieder. Letztendlich ist es etwas ganz Persönliches und Individuelles, wie jeder Mensch mit dem Thema Tod umgeht. Für Bärbel ist ein Verstorbener wie ein lebender Mensch, nur dass seine Seele eben aufgestiegen ist. Nichts Gruseliges und Unheimliches, eher etwas Würdevolles, etwas, das Hoffnung macht. Ob man letztendlich daran glaubt, dass der Verstorbene in den Himmel kommt, uns als Schutzengel begleitet oder wiedergeboren wird, ist dabei eher Nebensache. An irgendetwas zu glauben, hilft aber vielen Menschen bei ihrer Trauer – egal, ob es nun ein religiöser Glaube oder ein ganz individueller ist.

 

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Info

Bärbel Schwaiger – Bestattungsunternehmen in Rabenstein an der Pielach

Bestattung Bärbel Schwaiger

 

Unsere holprige Einstiegsfrage, ob der Beruf der Bestatterin nicht irgendwie... Dings... ist, können wir am Ende unseres Gesprächs jedenfalls getrost verneinen. Bärbel Schwaiger ist angekommen in einem Beruf, der so sehr mit Vorurteilen behaftet ist. Diese Vorurteile beiseite zu schaffen und den Blick aufs Wesentliche freizumachen – nämlich, dass der Tod etwas Natürliches ist und dass wir in unserer Trauer nicht alleine sein müssen – das wird der jungen Bestatterin mit ihrem sonnigen und empathischen Gemüt bestimmt gelingen!